Das Wahrzeichen von Neustadt an der Weinstraße ist die Stiftskirche. Auf dieser Seite können Sie sich die Stiftskirche in einer Art virtuellen Rundgang anschauen. Der Plan zeigt die einzelnen Bauabschnitte. So markieren die gestrichelten Linien (violett) den Grundriss der Vorgängerkirche St. Ägidius. Chorraum und Südturm (blau) bilden den ersten Bauabschnitt (ab 1365), gefolgt von den Bauarbeiten bis 1400/1489 (grün) und Veränderungen im 18. (orange) und 19. Jahrhundert (gelb).
Einen herzlichen Dank an Michael Landgraf, der uns freundlicherweise viele der nachfolgenden Inhalte aus seinem Buch "Die Stiftskirche zu Neustadt an der Weinstraße - Entdeckungen aus 800 Jahren" (erschienen im Agiro-Verlag, Neustadt an der Weinstraße, ISBN 978-3-946587-11-8, 5 Euro) zur Verfügung gestellt hat. Wenn Sie mehr über die Stiftskirche lesen möchten können Sie sein Buch entweder hier bestellen oder direkt in der Stiftskirche kaufen.
Der Tisch im Altarbereich erinnert an die Wurzeln der evangelischen Gemeinde. Nach reformierter Lehre gibt es in einer Kirche nur einen Tisch, auf dem allein die Bibel liegt und an dem Abendmahl gefeiert wird. Der 2014 errichtete Tisch der Künstlerin Dorothée Aschoff ist ein außergewöhnliches Kunstwerk. Es besteht aus 2014 Schichten grauem Papier und Kunstharz, Blatt für Blatt getaucht. Der Tisch erinnert an ein Schiff als Symbol für die Gemeinde auf ihrem Weg. Gleichzeitig erinnert er an ein Gefäß, denn auf dem Tisch stehen im Gottesdienst Abendmahlsgeschirr und Taufschale. Die aufliegende Glasplatte in Fischform, das Zeichen des Urchristentums, ist nach den Entwürfen von Dorothée Aschoff von Wolfgang Helfferich umgesetzt, ermöglicht den Blick ins Innere. Die Papierschichten erinnern an die lange Geschichte der Kirche und der Neustadter Gemeinde.
Bei der Kanzel handelt es sich um einen der ältesten steinernen Kanzelkörbe in Deutschland (frühes 15. Jh.). 2013 wurde sie wieder an den ursprünglichen Standort allerdings mit neuem Aufgang rückversetzt. Die Farbigkeit wurde anhand von Befunden rekonstruiert.
Bereits 1422 ist in der Stiftskirche eine Orgel belegt. 1516 hat der berühmte kurpfälzische Hoforganist Arnold Schlick in der Stiftskirche eine neue Orgel geprüft. Schlicks Hauptwerk „Spiegel der Orgelmacher und Organisten“ (1511), das erste Handbuch des Orgelbaus, dürfte für deren Konzeption Pate gestanden haben. Die 2016 von von Bernhardt H. Edskes Orgelbau (Schweiz) im protestantischen Teil fertig gestellte Chororgel orientiert sich an diesem historischen Vorbild. Sie ist besonders für Alte Musik (Gotik, Renaissance, Barock) und das Zusammenspiel mit historischen Instrumenten ausgelegt. Regelmäßig finden in der Stiftskirche Konzerte statt, darunter der Neustadter Orgelsommer und Neustadter Herbst – Festival Alte Musik an der Weinstraße.
Ausführliche Information zur Orgel und ihrer Entstehung finden Sie in der Festschrift „Die Neue Orgel“ (Selbstverlag, 2016), die anlässlich der Einweihung der Orgel erschien und in der Stiftskirche erhältlich ist.
Vom Chorgestühl für die ehemals 13 Stiftsherren, das sich im Stiftschorraum – heute katholischer Teil – befand, existiert noch ein Teilgestühl für vier Stiftsherren mit geschnitzten Figuren mit Darstellungen zeitgenössischer Berufe, restauriert 2013
Die Wappentafel stammt aus dem Jahr 1617 und erinnert an das 100-jährige Jubiläum der Reformation. Auf ihr werden die Wappen von Kurfürst Friedrich V. und dessen Gattin Elisabeth Stuart von England dargetellt.
Die Annahme der Königskrone von Böhmen durch Kurfürst Friedrich V. war Auslöser für den Dreißigjährigen Krieg. Die Kurpfalz führte im Krieg das militärische Bündnis der Protestanten gegen die Katholiken. Nach der Schlachtniederlage im Jahre 1620 verlor Friedrich V. die Krone von Böhmen und die Kurwürde ging an Maximilian von Bayern, den Katholiken.
Das Bild auf dem Bogen über dem Altarraum stammt aus dem frühen 15. Jh. und wurde später, wahrscheinlich nach der Reformationszeit, von Putz überdeckt. Im Zuge der Renovierung 2011-2013 wurde es wieder freigelegt. Zu erkennen ist folgendes Bildprogramm von rechts nach links: Maria Magdalena mit Salbungsgefäß, Gottesmutter Maria mit Gebetsstuhl, in der Mitte Gott Vater, links ein Verkündigungsengel mit Schriftband, daneben Christopherus mit dem Jesuskind auf der Schulter.
Auf der Mauer, die seit 300 Jahren die evangelische und katholische Gemeinde trennt, wurde bei der vorletzten großen Kirchenrenovierung ein Glasmosaik mit Auferstehungsmotiv aufgebracht, entworfen vom Spätexpressionisten August Babberger, ausgeführt von der Firma Pfuhl und Wagner, Berlin. Das Mosaik ist Teil der Gesamtkomposition des Chorraums zusammen mit 2 Glasfenstern auf der Nord- und Südseite, die ebenfalls von August Babberger gestaltet wurden.
Das Fenster auf der Südseite (Theologenfenster) stellt die Kirchenväter dar, von links nach rechts: Zacharias Ursinus, Martin Luther und David Paräus. Das Nordfenster (Fürstenfenster) zeigt von links nach rechts: Kurfürst Ottheinrich, den Schwedenkönig Gustav Adolf und Pfalzgraf Johann Casimir.
Beim Bau eines Gewölbes ist der Schlussstein dessen Knoten und höchster Punkt. Auf die Schlusssteine der Stiftskirche wurden Machtzeichen (Wappen) und Glaubenssymbole aufgetragen. Im Mittelschiff sieht man einen Raben, das Wappen des Speyrer Bischofs Rhaban von Helmstatt, der die Stiftskirche 1400 weihte. Der Löwe mit rotem Querbalken im Langhaus ist das Wappen von Namur, der Heimat von Ruprechts Ehefrau Elisabeth. Im Zentrum des Langhauses findet man den Löwen der Pfalzgrafen bei Rhein und die weiß-blauen Rauten der Wittelsbacher, die im 13. Jahrhundert zum Kurpfälzer Wappen zusammenwuchsen. Das Wappen Ludwigs III. mit zwei Löwen und zwei Rautenfeldern ist umrahmt von vier Engeln mit Wappen, die seinen weiblichen Familienangehörigen zugeordnet werden. Über der heutigen Trennmauer ist das Heilig-Geist-Loch, durch das an Himmelfahrt eine Christusfigur hochgezogen und an Pfingsten Tauben heruntergelassen wurden.
An der Westseute der Stiftskirche findet man eine dreijochige Vorhalle. Da Gotteshäuser als Abbild des Himmels galten, nannte man diese Vorhalle „Paradies“ und das Portal „Tor zum Himmel“. Im Paradies findet sich ein Steinrelief von König David mit Krone und Judenhut. Ausgestaltet wurde die Vorhalle vor 1440 mit Bildern von Propheten, den vier Evangelisten, von Kirchenvätern und musizierenden Engeln. Spruchbänder erinnern an das Alte Testament, das auf das Neue hinweist. Schlusssteine symbolisieren Maria und Jesus Christus und ein dritter Schlussstein zeigt das Wappen des Freiherrn von Venningen, dem damaligen Stellvertreter des Kurfürsten. Das Paradies wurde 2004 auf Initiative von Frau Ella Mick restauriert.
Die Geschichte der Glocken beginnt mit der Fertigstellung des Südturms. König Ruprecht I. stiftete 1402 eine große Glocke, an die heute die Kaiserglocke erinnert. Eine Sturmglocke warnte vor Unwetter. Es folgte eine wechselvolle Geschichte, in der französische Revolutionstruppen die Glocken raubten, die in der Folge zwar wieder ersetzt wurden, allerdings nur um in den beiden Weltkriegen wieder geopfert zu werden. Seit 1949 beherbergen die Türme der Stiftskirche sieben Gussstahlglocken. Die Glocken im Südturm schlagen jede Viertelstunde, die Nordturmglocken zweimal die volle Stunde. Die 14 Tonne schwere Kaiserglocke im Nordturm ist die größte läutbare Gussstahlglocke der Welt und die zweitgrößte Kirchenglocke Deutschlands, nach der Petersglocke aus Bronze im Kölner Dom. Sie wird zu Festtagen geläutet. Die Kurfürstenglocke ist die Sonntags- und Totenglocke. Im Südturm hängen die Ursinusglocke, die sonntags geläutet wird, die Lutherglocke, die zum Abendgebet ruft, die Zwingliglocke, die zum Mittagsgebet läutet, die Calvinglocke als Vaterunser- und Morgengebetsglocke sowie die Johann-Casimir-Glocke als Taufglocke der Stiftskirche.
Ausführliche Information zu den Glocken finden Sie auch in unserem Themenheft "Glocken - Historie, Glockenläuten und Uhrschlag" von Helga Gutermann und Axel Rehe (Selbstverlag, 2015), die in der Stiftskirche erhältlich ist.
Der Südturm der Stiftskirche trägt heute das Türmerhaus im barocken Stil (ursprünglich hatte er einen spitzen Helm) und darüber eine „Laterne“, in der die Sturmglocke geläutet werden konnte. Hier wohnte seit 1744, bis zum Tod des letzten Türmers, die Türmer-Familie Hayn. Der biblische Spruch „Meine Zeit steht in deinen Händen“ (Prediger 3), an der Seite des Turms, erinnert an die Vergänglichkeit.
Das Küsterhaus ist angebaut an den katholischen Teil der Stiftskirche. Es handelt sich um einen barocken Pultdachbau aus dem ersten Drittel des 18. Jahrhunderts. Vor dem Küsterhaus, das wie ein Schwalbennest an der Stiftskirche klebt, sprudelt frisches Wasser für den durstigen Stadtbesucher.