
Liebe Mitmenschen,
die Welt ist aus dem Gleichgewicht und damit auch das Leben vieler: Ein Virus regiert die Welt, Virologen sind die Regierungsberater, und über allem herrscht die Angst. So sehr, dass wir uns sogar das Grundrecht auf Freiheit nehmen lassen (müssen). Für viele ist das im Moment ganz schwer auszuhalten. Und manchmal denke ich, wenn das noch lange so weitergeht, sterben viele zwar nicht an Corona, aber an der Einsamkeit. Auch wenn der Himmel strahlend blau ist und die Vögel wunderbare Konzerte geben, stehen dunkle Wolken am Horizont. Jetzt hier auch bei uns, während in anderen Teilen der Welt, die „alten“ Probleme wie Krieg und Hunger weitergehen und das immense Leid der Flüchtlinge an den Grenzen aus dem Blick geraten ist. Natürlich können wir nicht Leid gegen Leid ausspielen. Aber es ist wichtig sich daran zu erinnern. Karfreitag ist überall. Die Welt ist aus dem Takt gekommen. Und wir wissen nicht, wann sie weiter „takten“ wird und wie das dann aussehen wird.
Karfreitag: Jesus starb am Kreuz. Für einen Moment lang war es dunkel am helllichten Tag und die Vorhänge am Tempel zerrissen, so erzählt die Bibel. Der das Leben wollte und sich voll und ganz dafür eingesetzt hat, dass Menschen zum Leben geführt wurden, wurde als Verbrecher hingerichtet. Wer das Gute will, wird nicht zwangsläufig dafür belohnt. Manchmal im Gegenteil. Auf diese Weise kommt die Welt immer wieder aus dem Takt. Das kann ratlos machen, und auch zornig oder hilflos: Warum ist das so? Warum gibt es so viel Leid?
„Mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ betete Jesus am Kreuz. Es sind Worte aus einem alten Psalm, in dem der Beter seine Not und Verzweiflung vor Gott bringt, ja auch seine Wut: Warum tust du mir das an, Gott? Er fühlt sich fern von Gott, getrennt von seiner Liebe und sehnt sich nach Versöhnung. Die Welt braucht Versöhnung mit Gott, gerade jetzt wird uns das besonders vor Augen geführt.
Im Predigttext für Karfreitag, 2. Korinther 5, 19 – 20, heißt es:
Denn Gott war in Christus und versöhnte die Welt mit ihm selber und rechnete ihnen ihre Sünden nicht zu und hat unter uns aufgerichtet das Wort von der Versöhnung. So sind wir nun Botschafter an Christi statt, denn Gott ermahnt durch uns; so bitten wir nun an Christi statt: Lasst euch versöhnen mit Gott!
In Zeiten wie jetzt fällt es schwer zu glauben, dass Gott die Kraft ist, die ins Leben ruft, dass Gott Liebe ist. Und dann brauche ich Versöhnung, Versöhnung mit Gott und der Welt.
Ich darf mich versöhnen lassen, denn aus mir selbst kann ich es offensichtlich nicht. Ich darf es zulassen: Mich versöhnen lassen mit Gott, den ich gerade noch zornig gefragt habe: Warum tust du mir das an? Mich versöhnen lassen mit mir, wenn es mir so schwerfällt, das zu tun, was guttut. Mich versöhnen lassen vielleicht sogar mit dem Virus. Vielleicht indem ich mir anschaue, was es auch Positives mit sich bringt, neben all dem Leid und der Einschränkungen:
Menschen rücken zusammen, auch über die Grenzen, die gesetzt werden, finden dabei kreative Ideen, wie abendliches Singen, musizieren und anderen Blumen an die Tür zu legen, Kinder spielen wieder im Wald, viele lernen gerade sich auf sich selbst zu besinnen, anstatt Ablenkungen von außen zu suchen, der Natur ist eine Erholungszeit gegönnt…. .
Viele sind zu Botschaftern und Botschafterinnen an Christi statt geworden, wie Paulus es nennt, jeder/jede mit den Fähigkeiten, die ihm/ihr mitgegeben wurden. Hoffen wir, dass all das weiterwirken kann!
Ich will das Leid, das viele erleben, damit nicht kleinreden. Aber wir dürfen Karfreitag heute im Lichte von Ostern sehen: Wir müssen nicht im Leid stecken bleiben. Die Situation derzeit zeigt uns: Wo Leid ist, werden uns auch kreative Möglichkeiten gegeben, damit umzugehen.
Das ist tröstlich für mich in dieser schweren Zeit.
Viele tröstliche Momente und Gedanken in allem, was jetzt schwer ist, wünscht Ihnen
Ihre Annette Leppla